Warum Mesh-Netzwerke zwischen verschiedenen Herstellern oft nicht kompatibel sind

WiFi Mesh-Netzwerke haben sich in den letzten Jahren als eine Lösung zur Verbesserung der WLAN-Abdeckung und Stabilität etabliert. Dabei wird ein Netzwerk aus mehreren Knotenpunkten (Access Points) geschaffen, die zusammen ein einheitliches und lückenloses WLAN bereitstellen. Allerdings gibt es eine zentrale Herausforderung: Mesh-Systeme verschiedener Hersteller sind in der Regel nicht miteinander kompatibel. Dieser Bericht beleuchtet die Gründe, warum Mesh-Netzwerke von unterschiedlichen Anbietern oft nicht zusammenarbeiten.

1. Proprietäre Implementierungen und Protokolle

Einer der Hauptgründe für die fehlende Interoperabilität zwischen Mesh-Systemen verschiedener Hersteller sind die proprietären Implementierungen und spezifischen Protokolle, die von den Herstellern verwendet werden. Jeder Hersteller entwickelt seine eigenen Algorithmen und Systeme, um die Kommunikation, das Roaming, das Band Steering und die Verwaltung der Mesh-Knoten zu steuern.

  • Beispiele:
    • TP-Link verwendet in seiner Deco-Serie proprietäre Technologien, um die Knotenpunkte miteinander zu verbinden und das Mesh-Netzwerk zu steuern.
    • AVM nutzt für sein FRITZ! Mesh ebenfalls eine eigene Implementierung, die auf der Firmware FRITZ!OS basiert und die Verbindung zwischen einer FRITZ!Box und FRITZ!Repeatern optimiert.
    Diese proprietären Technologien sind in der Regel nicht kompatibel mit Geräten anderer Hersteller, da die Interaktion zwischen den Knoten auf unterschiedlichen Protokollen und Softwarelösungen basiert.

2. Unterschiedliche Netzwerkprotokolle und Standards

Obwohl WiFi-Netzwerke auf offenen Standards wie IEEE 802.11 basieren, gibt es keinen einheitlichen, herstellerübergreifenden Standard für die Einrichtung und Verwaltung von Mesh-Netzwerken. In der Praxis bedeutet dies, dass viele Mesh-Systeme zwar auf 802.11s – dem offenen Standard für Mesh-WLAN – aufbauen, diesen jedoch durch eigene Erweiterungen ergänzen.

  • 802.11s: Dieser Standard wurde vom IEEE als eine Möglichkeit definiert, Mesh-WLAN-Netzwerke aufzubauen. Er beschreibt ein Routing-Protokoll für Mesh-Netzwerke und sorgt dafür, dass verschiedene Mesh-Knoten miteinander kommunizieren können. Allerdings wird 802.11s selten von Konsumentenprodukten vollständig implementiert, da die Hersteller proprietäre Optimierungen einbauen, um die Leistung zu steigern oder zusätzliche Funktionen zu ermöglichen.Daher kann es sein, dass zwei Geräte theoretisch den gleichen Standard unterstützen, aber aufgrund von proprietären Erweiterungen oder nicht-standardisierten Funktionen nicht miteinander kompatibel sind.

3. Unterschiedliche Verwaltungsschnittstellen und Benutzererfahrung

Ein weiterer Grund, warum Mesh-Systeme verschiedener Hersteller nicht miteinander kompatibel sind, liegt in den unterschiedlichen Verwaltungsschnittstellen und Softwarelösungen.

  • Zentrale Steuerung: Mesh-Systeme wie TP-Link Deco, Netgear Orbi oder AVM FRITZ!Mesh setzen auf eine zentrale Steuerung über Apps oder webbasierte Oberflächen, um das Netzwerk zu konfigurieren und zu verwalten. Jede dieser Schnittstellen ist speziell auf das jeweilige System abgestimmt und unterstützt nur die Produkte des eigenen Herstellers.
  • Konfigurations- und Kommunikationsprotokolle: Die Art und Weise, wie Mesh-Knoten miteinander kommunizieren und wie Einstellungen übermittelt werden, ist bei jedem Hersteller unterschiedlich. Diese Unterschiede erschweren die Integration von Knotenpunkten verschiedener Hersteller, da das eine System nicht auf die Steuerungsprotokolle des anderen zugreifen kann.

4. Keine Standardisierung für herstellerübergreifende Mesh-Integration

Der Markt für WiFi-Mesh-Netzwerke ist derzeit nicht standardisiert, wenn es um die Interoperabilität zwischen verschiedenen Herstellern geht. Die Hersteller haben keinen Anreiz, ihre Geräte mit denen von Mitbewerbern kompatibel zu machen, da sie in der Regel ihre eigene Produktlinie pushen wollen.

  • Lock-in-Effekt: Hersteller von Mesh-Systemen wie TP-Link, AVM, Netgear oder Google haben ein Interesse daran, dass Kunden ihre gesamte Produktlinie verwenden. Durch die fehlende Kompatibilität zwischen verschiedenen Systemen entsteht ein Lock-in-Effekt, bei dem der Kunde gezwungen ist, weitere Produkte desselben Herstellers zu kaufen, um sein Mesh-Netzwerk zu erweitern.
  • Ecosystem-Strategie: Viele Hersteller setzen auf eine Ecosystem-Strategie, bei der sie Produkte anbieten, die eng miteinander verzahnt sind. Ein Beispiel ist AVM, das neben seinen Mesh-fähigen FRITZ!Box-Routern auch DECT-Telefone, Smart-Home-Geräte und Netzwerkspeichergeräte anbietet, die alle über die gleiche Plattform gesteuert werden können. Diese enge Integration fördert die Kundenbindung, ist aber oft nicht mit Produkten anderer Anbieter kompatibel.

5. Unterschiedliche Hardware und Firmware-Anforderungen

Die Hardware-Anforderungen an Mesh-Systeme variieren stark zwischen den Herstellern. Selbst wenn ein gemeinsamer Standard wie 802.11ax (WiFi 6) unterstützt wird, unterscheiden sich die Chipsets, Antennenarchitekturen und Firmware-Anpassungen.

  • Herstellerspezifische Firmware: Viele Geräte sind auf die Firmware des Herstellers angewiesen, um spezielle Funktionen wie Band Steering, Roaming oder dynamische Kanalwechsel optimal zu nutzen. Diese Firmware ist auf die Hardware und den spezifischen Netzwerk-Stack des jeweiligen Herstellers abgestimmt und lässt sich nicht einfach auf ein Gerät eines anderen Herstellers übertragen.
  • Inkompatible Hardwareprotokolle: Unterschiedliche Mesh-Systeme können zudem auf verschiedenen Protokollen für die interne Kommunikation zwischen Knotenpunkten basieren. Einige Hersteller verwenden z. B. spezielle Backhaul-Verbindungen über Kabel, Powerline oder exklusive drahtlose Kanäle, die nicht mit anderen Systemen funktionieren.

6. Initiativen und mögliche Entwicklungen

Es gibt Bestrebungen, die Interoperabilität von Mesh-Netzwerken zu verbessern, aber diese sind noch nicht weit verbreitet. Eine Initiative, die in diese Richtung geht, ist EasyMesh von der Wi-Fi Alliance.

  • EasyMesh: EasyMesh ist ein herstellerübergreifender Standard, der die Interoperabilität zwischen Mesh-Geräten verschiedener Hersteller ermöglichen soll. Mit diesem Standard können Geräte von verschiedenen Anbietern theoretisch zusammenarbeiten, um ein einheitliches Mesh-Netzwerk zu bilden. In der Praxis haben jedoch nur wenige Hersteller diesen Standard implementiert, und es gibt noch nicht viele Geräte auf dem Markt, die EasyMesh unterstützen.

Fazit

Mesh-Netzwerke von unterschiedlichen Herstellern sind in der Regel nicht miteinander kompatibel, da jeder Hersteller proprietäre Technologien und Protokolle verwendet, um die Mesh-Kommunikation zu optimieren. Unterschiede in den Verwaltungsschnittstellen, Hardwareanforderungen und der Firmware führen dazu, dass ein einheitlicher Betrieb verschiedener Geräte schwierig bis unmöglich ist. Während Standards wie EasyMesh in Zukunft herstellerübergreifende Mesh-Netzwerke ermöglichen könnten, sind diese derzeit noch nicht weit verbreitet. Kunden, die ein Mesh-Netzwerk aufbauen möchten, sind daher meist darauf angewiesen, beim gleichen Hersteller zu bleiben, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden.

Über Raffael Haberland 39 Artikel
Ich habe Informatik an der Technischen Universität Darmstadt sowie Wirtschaftswissenschaften an der Universität Heidelberg studiert. Derzeit bin ich als Testmanager in der Testautomation und Softwareentwicklung im Telekommunikationssektor tätig. Mein Fokus liegt auf der Bewertung von Prototypen sowie der Qualitätssicherung und Optimierung von Prozessen, insbesondere durch die Entwicklung und Implementierung automatisierter Tests.

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